Landesvermessung 1818 - 1840

Am 25. Mai 1818 ordnete König Wilhelm I. von Württemberg im damaligen Königreich die Landesvermessung an (Abb. 1). In einer Zeit politischer und sozialer Herausforderungen prägte er durch zahlreiche Reformen und Maßnahmen eine relativ moderne Monarchie. Hauptargument für die genaue und einheitliche Vermessung des gesamten Landes war insbesondere die Schaffung einer Grundlage für die einheitliche Besteuerung des Grund und Bodens.

Die Katasterkommission unter Führung des Staatsrates von Weckherlin organisierte die gesamte Durchführung der Arbeiten und erließ verbindliche Vorschriften zur Erstellung eines einheitliches Katasters (Abb. 2). Für ein landesweit flächendeckendes Kartenwerk bedurfte es einer einheitlichen geodätischen Grundlage. Dies verlangte die Schaffung eines bestmöglich an die Landesfläche angepassten Bezugs- und Abbildungssystems. Mit der wissenschaftlichen Leitung war der Tübinger Professor Johann von Bohnenberger betraut (Abb. 3). Der Ursprung des gewählten Soldner-Koordinatensystems fällt mit dem Nordostturm des Tübinger Schlosses zusammen, wo sich zu dieser Zeit das Observatorium befand, in dem Professor Bohnenberger seine astronomischen Beobachtungen durchführte.

Abb_1_Koenig_Wilhelm_I_von_Wuerttemberg            Abb_2_Weckherlin         Abb_3_Johann_Gottlieb_Friedrich_Bohnenberger_BEARB

Abb. 1: König Wilhelm I.                                                   Abb. 2: Staatsrat Weckherlin                                                      Abb. 3: Professor Johann von Bohnenberger

 

 

Abb. 4: Historischer Theodolit
Abb. 4: Historischer Theodolit

 

 

Die Triangulation

Unverzichtbar für die spätere Aufnahme der Flurstücke waren fest vermarkte Vermessungspunkte mit Koordinaten im einheitlichen System. Das probateste Mittel zur Schaffung eines landesweiten Netzes mit fast 33.000 Vermessungspunkten war die Triangulation. Hierbei wurden Dreiecke gebildet und in den Eckpunkten die Richtungen zu den benachbarten Vermessungspunkten mit Theodoliten (Abb. 4) präzise ermittelt. Die Seitenlängen der Dreiecke konnten durch Übertragung einer bereits bekannten Grundseite eines zuvor bestimmten Dreiecks berechnet werden. Allerdings benötigte man zunächst eine Ausgangsbasis, um erstmals einen Längenmaßstab zu erhalten. Hierzu wurde die rund 13 km lange Basislinie der Landesvermessung, die vom Schloss Solitude nach Ludwigsburg verlief, präzise mit Messstangen vermessen.

 

Die Stückvermessung

Bevor mit der Stück- oder Parzellarvermessung begonnen werden konnte, mussten die Grenzen aller Flurstücke eindeutig abgemarkt sein. Hierfür waren die ortsansässigen Untergangsgerichte zuständig. Die Untergangsrichter oder "Untergänger" hatten als Einzige die Befugnis, Grenzsteine zu setzen, zu entfernen oder aufzurichten. Waren vor Ort diese Vorarbeiten abgeschlossen, begannen die Geometer mit der Aufmessung der Grenzzeichen und Gebäude (Abb. 5). Ihnen standen für die Aufmessung, neben dem Messtisch, einfache Messgeräte wie Winkelkreuz oder Kreuzscheibe zur Verfügung. Zum Messen der Strecken verwendeten sie 10 oder 20 Fuß lange Messstangen. Grenzpunkte und Gebäudeecken wurden rechtwinklig auf Messungslinien aufgemessen oder in Geraden eingebunden. Jeder Geometer bearbeitete ein ihm zugewiesenes Messtischblatt. Zu jedem Messtischblatt wurde ein Feldbuch, das sogenanntes Broullion gefertigt. Dieses Feldbuch enthält alle Gegenstände der Aufnahme mit Beschreibungen und Maßzahlen. Aus den im Außendienst ermittelten Messergebnissen entstanden im Büro die in Tusche ausgeführten Urkarten.

Die Abbildung des Landes erfolgte in einem nahtlosen Rahmenkartenwerk. Die Ur- bzw. Flurkarten hatten einen Maßstab von 1:2500 und bildeten ein Quadrat mit einer Seitenlänge von 4.000 Fuß ab, was einer Fläche von rund 1.146m x 1.146m entspricht (Abb. 6). Der für mehrere Geometer verantwortliche Obergeometer musste alle gefertigten Karten einzeln prüfen. Ein durchgreifendes Qualitätssicherungsmanagement sorgte für eine gleichmäßige Qualität der Unterlagen.

03_Feldmesser    04_Flurkarte_Rottenburg

Abb. 5: Feldmesser und Messgehilfen der Parzellarvermessung                                  Abb. 6: Flurkarte von Rottenburg

 

Das Primärkataster

Gemarkungsweise wurden Primärkataster angelegt (Abb. 7), die in Buchform tabellarisch alle Gebäude, die bebauten Parzellen, Feldgüter, Wege und Gewässer führten. Die Beschreibung der Parzellen beinhaltete gemarkungsspezifische Nummern und Angaben zu Nutzungen, Flächen und Eigentümern. Den Abschluss der Arbeiten bildete die Publikation des Katasters durch einen Steuerkommissar. Diese beinhaltete eine Prüfung auf sachliche Richtigkeit und die Einsichtnahme der Eigentümer in die Akten. Für die damalige Zeit sehr fortschrittlich, folgten ein Beschwerdeverfahren und die Bestätigung durch den Gemeinderat bzw. Bürgerausschuss. Die Unterlagen durchliefen mehrere Schritte bis sie zu rechtsverbindlichen Dokumenten wurden, die teilweise noch heute Gültigkeit besitzen.

Die Landesvermessung fand am 1. Juli 1840 in Tübingen ihren Abschluss. Insgesamt wurden über 5 Mio. Flurstücke im Rahmen der Landesvermessung vermessen und in Primärkatastern detailliert beschrieben sowie 15.572 Flurkarten und 304 Ortspläne gefertigt. Die Kosten für das Projekt werden mit 3,8 Mio. Gulden beziffert was rd. 40% eines Jahresetats des damaligen Königreiches entsprach.

Abb_7_Primaerkataster_BEARB

Abb. 7: Primärkataster

 

Bildrechte:

Abb. 1: Landesmuseum Württemberg, Stuttgart (CC BY-CA)

sonstige Abb.: Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung